Wie abhängig wir alle heutzutage von der öffentlichen Stromversorgung sind, hat uns die Nacht vom 18. auf 19. August 2017 eindrucksvoll vor Augen geführt. Ein orkanartiger Sturm fegte über das Innviertel hinweg und hinterließ mehr als die Hälfte der Haushalte im Bezirk Schärding in absoluter Dunkelheit. Auch Raab war mit einem 13 Stunden Blackout betroffen. Dabei hatte der Abend so gemütlich begonnen ...
Einweihung Feuerwehrhaus in Schulleredt
Am Freitag dem 18. August versammelten sich 25 Raaber Feuerwehrmänner und -frauen beim Feuerwehrdepot um an der Zeughauseinweihung in Schulleredt teilzunehmen. Dort angekommen marschierten die Raaber formiert ein, wurden vom Abschnittskommandanten begrüßt und warteten anschließend im Zeltfest bis zum offiziellen Beginn der Festveranstaltung. Bei durchaus warmen aber dennoch angenehmen Temperaturen wurde dann die Festveranstaltung im Freien abgehalten, bevor man den Abend gemütlich im Festzelt ausklingen lassen wollte. Laut ZAMG Wetterprognose, welche die Feuerwehrleute ab und an online abfragten, sollte das Zentrum eines angekündigten Sturmtiefs eher in Tirol wirksam werden. Für Tirol wurde - dunkelrot eingefärbt - vor "Gefahr" gewarnt, für die Schärdinger Gegend war lediglich "Vorsicht" angesagt. Einem entspannten Festabend in Schulleredt stand also nichts im Weg.
Der Sturm ...
Um ca. 22:40 wurde mit dem Kommandofahrzeug der letzte offizielle Rücktransport der Raaber Mannschaft von Schulleredt nach Raab durchgeführt. Ein paar Kameraden beschlossen dennoch in Schulleredt zu bleiben und sich später privat abholen zu lassen. Doch kaum war das KDOF Richtung Raab abgefahren, kam binnen Sekunden ein orkanartiger Sturm auf. Eine wahre Druckwelle schleuderte sämtliche Gegenstände von den im freien stehenden Tischen. Kappen, Gläser und verschiedenste andere Gegenstände flogen zu Boden, die Tische waren in Bruchteilen von Sekunden völlig leergefegt. Während die Veranstalter bei aufkommenden Regen eilig die Bierbars schlossen und versuchten dem kurzfristig entstandenen Chaos Herr zu werden, flüchteten die Raaber Feuerwehrleute vor dem Regen ins benachbarte Depot der FF Schulleredt. In der Zwischenzeit war der leichte Regen in einen prasselnden Starkregen übergegangen. Zum Glück war der Fahrer des KDOF noch telefonisch erreichbar und kehrte noch einmal nach Schulleredt zurück um die dort verbliebene Mannschaft zu holen.
... und dann ging der Strom aus.
Im Depot angekommen, absolute Dunkelheit. Der Strom war in ganz Raab ausgefallen. Und so begannen die Raaber Feuerwehrleute erst einmal mit dem Notstromaggregat die eigene Stromversorgung wiederherzustellen um dann anderen Hilfe leisten zu können. Kaum war die notdürftige Stromversorgung aufgebaut, gingen auch schon die Sirenen los. Wenige Minuten später rückte eine LFB-Mannschaft aus, um einen umgestürzten Baum im Krennhof von der Straße zu entfernen. Das KDO fuhr aus um die Lage auf anderen Raaber Straßen zu erkunden.
Während bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts auf eine besonders schlaflose Nacht hindeutete, kam per Funk die Anweisung, dass sämtliche Feuerwehrhäuser ihre "Florian-Stationen", sprich die zentralen Funkgeräte in den Feuerwehrdepots, durchgehend besetzen müssen. Wegen zeitweiser Überlastung des Warn- und Alarmierungssystems (WAS) der oberösterreichischen Feuerwehren auf Grund des extrem hohen Alarmierungsaufkommens wurde zur Alarmierung der örtlichen Feuerwehren zusätzlich auf das Funknetz ausgewichen. Die Störung schien also doch großräumiger zu sein als bis dahin vermutet. Da auch die Sirenenalarmierung, sowie die Alarmierung per Pager und Handy nicht mehr sichergestellt war, wurde zusätzlich befohlen, dass eine Einsatzgruppe im Feuerwehrdepot verweilen und sich für Einsätze bereit halten musste.
Eine weitere Alarmierung nach Pausing folgte, wieder ein umgefallener Baum auf der Straße. Mit Kettensägen war er schnell aufgearbeitet und die Straße wieder frei. Um 2 Uhr morgens heulten erneut die Sirenen in Raab. Interessanter Weise wurden wir vom Alarmsystem genau zu jenem Einsatz alarmiert, von dem die LFB-Mannschaft gerade aus Pausing zurückgekommen war. Immerhin kamen so ein paar zusätzliche, noch völlig verschlafene Feuerwehrleute ins Depot und verstärkten so die dort im Dienst stehende Mannschaft.
Nach einem weiteren Einsatz nach Rödham, so gegen 3 Uhr morgens, wurde schließlich beschlossen, im Depot ein bisschen zu schlafen. Sicherlich würden in den Morgenstunden weitere Aufträge anstehen. Zumindest drei Liegen konnten noch schnell herbeigeschafft werden, der Rest schlief auf Bänken, Stühlen, in den Fahrzeugen teilweise liegend, teilweise sitzend. Das Funkgerät blieb die ganze Nacht durchgehend besetzt.
Um 06:00 weckte ein vielen gut bekanntes "TAAAAGWACHE" die Mannschaft, dieses Mal jenes des Raaber Kommandanten HBI Helmut Lang.
8 Stunden nach Stromausfall: Kein Mobilnetz, beginnender Zusammenbruch der Infrastruktur
Mit Verwunderung nahm die Mannschaft in diesen Morgenstunden zur Kenntnis: Immer noch kein Strom. In der Zwischenzeit begannen auch die Handynetze zusammenzubrechen. Je nach Netzbetreiber ein bisschen früher oder später, ging ein Mobiltelefon nach dem anderen in den Modus "Kein Netz". Ab diesem Zeitpunkt waren Melder und Funk die einzig funktionierenden Kommunikationskanäle. Wie auch immer hatte die Raaber Feuerwehr zudem eine funktionierende Internetverbindung im Depot mit deren Hilfe sie die großräumige Lage erkundeten.
Da der Sturm in der Zwischenzeit abgeklungen war und es nur mehr leicht regnete, waren die Anfangsstunden am Morgen des 19. August sehr ruhig. Auf den Straßen lagen Zweige und Blätter, dort und da waren umgeworfene Plakatständer zu sehen. Mit Ausnahme des üblichen Straßenverkehrs wirkte Raab aber irgendwie wie ausgestorben.
Zu dieser Zeit folgte eine erste Koordinationsbesprechung zwischen Feuerwehr und Gemeinde, welche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur erforderlich seien. Rasch wurde geklärt, dass Wasser- und Treibstoffversorgung sowie der Betrieb der Kläranlage Priorität hätten.
Um 07:40 rückte also eine LFB-Mannschaft zum Wasserdepot aus um dort mittels Notstromaggregat die still stehenden Wasserpumpen wieder in Betrieb zu nehmen. Zwei Stunden lang wurde Wasser gepumpt und die Vorratsspeicher wieder gefüllt. Die Wasserversorgung der Raaber Bevölkerung war also für diesen Tag wieder sichergestellt.
Eine TLF-Mannschaft rückte um 07:45 zur örtlichen Tankstelle aus, um dort ebenfalls mittels Notstromaggregat die Versorgung mit Treibstoff zu ermöglichen, leider erfolglos. Eher unangenehm, denn die Füllstände der in Betrieb stehenden Notstromaggregate sanken mit jeder Stunde. Ohne Treibstoff kein Strom, ohne Strom kein Treibstoff. Glücklicherweise hatte nun Zell an der Pram wieder elektrische Energie und es konnten in Zell die Reservekanister mit Treibstoff gefüllt werden. Das KDOF führte eine entsprechende Versorgungsfahrt durch.
Zum Betrieb der Kläranlage konnte aus Andorf ein zusätzliches Notstromaggregat besorgt werden, denn auch Andorf hatte nun bereits wieder Strom und konnte ihr Aggregat abgeben.
11 Stunden nach Stromausfall: Der Fluch der Technisierung
Am späten Vormittag meldeten dann die ersten landwirtschaftlichen Betriebe dringenden Energiebedarf an. Tiere im Stall wollten gefüttert und gemolken werden, doch auch dort hat in den letzten Jahrzehnten die Technisierung mit Bedarf an elektrischer Energie Einzug gehalten. Das TLF Raab wurde also mit Notstromaggregat um 10:10 Uhr zu einem der großen Bauernhöfe geschickt um dort auszuhelfen, um ca. 11:45 rückte zusätzlich die FF Steinbruck Bründl mit ihrem Notstromaggregat zu einem weiteren Bauernhof aus.
Während dessen arbeitete die LFB-Mannschaft einen weiteren umgestürzten Baum auf einer Straße in Brünning auf und deckte das Dach einer Gartenhütte provisorisch mit einer Plane ab. Der Sturm in der Nacht hatte das Dach weitgehend abgedeckt. Anschließend fuhr die LFB-Mannschaft ins Freibad, wo die Überlaufbecken durch den nächtlichen Regen einen bedrohlichen Füllstand erreicht hatten. Eigentlich sollte eine installierte Pumpe dieses Wasser automatisch abpumpen, doch Pumpen benötigen Strom ...
Eine Stunde lang wurde mit den Tauchpumpen des LFB Wasser abgepumpt, bis die Überlaufbehälter leer waren. Ergänzend dazu wurden die Tiefkühlanlagen im Badebuffet mit Strom versorgt, so konnte zumindest ein Teil der dort gelagerten Lebensmittel gerettet werden.
12 Stunden nach Stromausfall: Entspannung der Lage
Immerhin: die Nachbarorte hatten schon wieder Strom, was die Lage wesentlich entspannte. So bestand zum einen die Zuversicht, dass auch in Raab bald wieder Energie verfügbar sein würde, zum anderen wich die Raaber Bevölkerung in andere Gemeinden aus, um zu frühstücken, einzukaufen, zu tanken, etc. Viele waren laut späteren Gesprächen nach Ried oder Andorf gefahren um sich zu versorgen. In Raab selbst waren an diesem Vormittag fast alle Geschäfte geschlossen. Schließlich gingen, beginnend ab 11:55 Uhr, auch in Raab wieder die Lichter an und die Feuerwehreinsätze konnten erfolgreich beendet werden.
13 Stunden nach Stromausfall: Die glücklichen Umstände und die Erkenntnis
Auch wenn an diesem Morgen des 19. August in Raab die Lage angespannt war, waren dennoch ein paar Rahmenbedingungen glücklich. Zum einen war es ein angenehm warmer Sommertag mit leichtem Regen, zum anderen war der Stromausfall nur lokal gegeben, denn eine umliegende Gemeinde nach der anderen wurde wieder mit Energie versorgt.
Doch auch eines hat diese Nacht bewiesen: Die Energieabhängigkeit unserer Infrastruktur ist enorm. Und die stets hohe Zuverlässigkeit der Energieversorgung hat den einen oder anderen für Notfallsituationen etwas nachlässig gemacht. Schwer auszudenken, wenn dieser Stromausfall an kalten Wintertagen, weiträumiger und ein paar Tage länger vorgefallen wäre. Nicht viele Haushalte und Betriebe scheinen eine ausreichende Notstromversorgung zu besitzen. Übrigens: Die meisten Photovoltaikanlagen scheinen bei Stromausfall auch keinen Strom mehr zu liefern.
14,5 Stunden nach Stromausfall: Einsatzende
Um 13:30 Uhr konnte die Einsatz-Mannschaft der Feuerwehr Raab nach Reinigung der Geräte und Wiederherstellen der Einsatzbereitschaft endlich nach Hause gehen. Aus einem gemütlichen Feuerwehr-Fest hatte sich ein mehr als 18-stündiger Einsatz mit wenigen Stunden ungemütlichem Schlaf zwischendurch entwickelt. Oder halt. Nein, nicht alle konnten nach Hause gehen, denn für das nachmittägliche Bierfest in der Kellergröppe an diesem Tag stellten die Feuerwehren Raab und Steinbruck Bründl auch noch Lotsen ...
In diesem Einsatz standen: LFB Raab mit Notstromaggregat, Tauchpumpen und Kettensägen, TLF Raab mit Notstromaggregat, KDO Raab, 30 kVA Notstromaggregat, KLF Steinbruck Bründl mit Notstromaggregat und zwischenzeitlich bis zu 30, am Ende des Einsatzes müde, aber mit ihrer Leistung zufriedene Feuerwehrleute.
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